Wenn ich über Grenzen spreche, dann spreche ich auch oft von „eigener Raum“. Die erste Grenze, die wir haben, ist unsere Hautgrenze. Sie wird bei der Geburt aktiviert. Wenn unsere Geburt keine sanfte Landung war, hat bereits das Auswirkungen auf unsere Hautgrenzen. Wir haben dann als Erwachsene vielleicht kein gutes Gefühl für unseren eigenen Körper oder haben das Gefühl, nicht wirklich im Leben verankert zu sein. Mit „eigener Raum“ meine ich keinen physischen Raum. Ich meine das energetische Feld, welches uns umgibt. Wenn du jetzt die Augen verdrehst: Ich meine damit nichts magisches oder übernatürliches. Vielleicht kennst du das, wenn jemand dir ungefragt zu nahe kommt. Wir reagieren irritiert, gereizt oder – je nachdem, welche Erfahrungen wir mit dem Thema eigener Raum und Grenzen gemacht haben – ängstlich oder wütend. Wir spüren körperlich sehr schnell, wenn uns etwas zu eng oder zu nah ist. Hast du mal beobachtet, wie es ist, wenn viele Menschen auf engem Raum sind? Zum Beispiel in der Bahn? Die Menschen reagieren gereizt und genervt. Weil sie sich in Ihrem Raum bedroht fühlen.
Wichtig ist, dass uns diese Dynamiken bewusst sind. Dann können wir bewusst daran arbeiten, unseren eigenen Raum zu stärken. So kann das Wissen um unsere Grenzen und unseren eigenen Raum erlösend und lebensverändernd sein.
Anzeichen dafür, dass wir kein Gefühl für unseren eigenen Raum haben
Wir
- können nicht nein sagen.
- fühlen uns ständig für alles verantwortlich.
- haben Schwierigkeiten unsere eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen.
- fühlen uns „offen“ und „durchlässig“.
- haben Angst und fühlen uns nicht gut geerdet.
- haben sehr schnell das Gefühl, dass Menschen unsere Grenzen überschreiten und ziehen uns völlig zurück, weil wir anders nicht damit umgehen können.
- überschreiten selbst oft Grenzen anderer.
- spüren nicht, wann wir Pausen brauchen.
Gründe dafür, dass wir unseren eigenen Raum nicht spüren
- Wir haben in unserer Kindheit die Erfahrung gemacht, dass unsere Grenzen nicht gewürdigt werden.
- Wir haben gelernt, dass es nicht sicher ist, wenn wir unseren eigenen Raum haben. Das kann der Fall sein, wenn unsere Bezugspersonen emotional auf uns angewiesen waren.
- Wenn wir früh Verantwortung übernehmen mussten, dann geben wir unseren Raum auf, um Schieflagen in unserem Familiensystem zu kompensieren.
- Wenn wir zu wenig liebevollen Kontakt oder Bindung hatten, neigen wir eventuell zu verschmelzendem Kontakt. Das heißt, wir verlieren unseren eigenen Raum im Kontakt mit einem Gegenüber.
- Als Kinder verlassen wir unseren Raum immer, wenn wir dadurch Bindung aufrechterhalten können.
- Unsere Grenzen wurden mit Gewalt überschritten.
- Wir konnten durch unsere Geburt nicht sanft auf der Welt landen.
Eine Schwierigkeit der Abgrenzung liegt in unserer Gesellschaft begründet. Durch Whatsapp, Instagram und Co. ist es, als würden wir unsere Mauern selbst einreißen und Reizüberflutung Tür und Tor öffnen. Auch die starke Leistungsstruktur unserer Gesellschaft trägt dazu bei, dass wir uns körperlich und mental zerstreut fühlen und ganz einfach nicht bei uns sind.
Ich weiß, dass die meisten von uns kognitiv verstehen wollen. Wir versuchen ständig ein Narrativ zu kreieren, welches erklärt, wieso wir sind wie wir sind. Ich kenne das nur zu gut. Und es ist nur bedingt zielführend. Einfach weil gewisse Themen soweit zurück reichen, dass wir uns nicht explizit an diese erinnern können. Ich mag dich also einladen, den Fokus auf das zu richten, was jetzt da ist. Im Hier und Jetzt kannst du daran arbeiten, deinen eigenen Raum zu stärken. Über deinen Körper.
So übst du, deinen Raum wahrzunehmen
Der eigene Raum geht über den pysischen Raum, in dem du dich befindest, hinaus. Und doch ist es wichtig, dass du dich dort, wo du bist, sicher fühlst. Es beginnt damit wahrzunehmen „Hier bin ich. Hier fange ich an. Dort beginnt das andere.“ Dafür ist es hilfreich, dich immer wieder dort zu orientieren, wo du bist. Es gibt unzählige Übungen, um deinen Raum zu stärken. Deine Grenzen spüren und behaupten, kannst du alleine oder in der Gruppe üben. Heute stelle ich dir eine Basis-Übung vor, die dazu auch noch nervensystem regulierend wirkt.
Nervensystemregulierende Übung: Orientieren im Raum
Orientieren bedeutet in diesem Kontext, den Blick neugierig in die Welt richten. Dafür schaust du dich im Raum, in dem du bist, um. Bewege dabei auch deinen Kopf mit und schaue dir die Dinge in deinem Raum aufmerksam an. Benenne den Gegenstand und dessen Farbe innerlich. Schau mal, ob du deine Füße vorher oder während dessen erden magst. Mache dir bewusst: „Das ist mein Raum.“ Vielleicht darf hier sogar das Gefühl von Sicherheit entstehen. Vielleicht magst du dich im Geiste einmal direkt ansprechen. Das mache ich gerne, um ganz im Moment zu landen und meinen Geist zusätzlich ins Hier und Jetzt zu holen. Ich sage mir dann„ Ich bin Loredana. Ich sitze hier in meinem Schlafzimmer und orientiere mich. Ich bin sicher. Ich bin in meinem Raum.“
Video: traumasensible Meditation, Nervensystem regulieren, Erdung, sicher im Körper fühlen
Ich hoffe, dieser Artikel konnte dir ein paar inspirierende Einblicke in das Thema eigener Raum und Grenzen geben. In meinen online Workshops und Kursen arbeiten wir immer daran, unseren Raum zu stärken. Für ein selbstbestimmtes und dennoch verbundenes Leben. Schau gerne mal im Kursplan vorbei. Ich freue mich, wenn wir uns in einem meiner Angebote begegnen.