Dieser Artikel richtet sich an dich, wenn du dir die Frage stellst “Bin ich traumatisiert?” Es geht darum, dass du in einem ersten Schritt verstehst, was Trauma ist. Beginne zu verstehen, werde Experte für dein Thema und kultiviere dadurch Verständnis für dich und deine Geschichte und bleibe dabei im Hier und Jetzt.
Wenn du nicht betroffen bist kannst du dich für das Thema sensibilisieren. Besonders als Yogalehrer ist es gut, dein Wissen über diesen Bereich zu erweitern. Denn es sind viel mehr Menschen von diesem Thema betroffen, als du vielleicht denkst.
In diesem Artikel möchte ich beleuchten, dass Trauma ein sehr facettenreicher Begriff ist und unglaublich viele Menschen davon betroffen. Das Wissen über Trauma, die verschiedenen Arten und deren Folgen sind für mich wesentlich und die Grundlage für ein achtsames Miteinander und Heilung.
Ich erkläre dir den Unterschied zwischen einem Schock- und einem Entwicklungstrauma. Dissoziation oder ein Widererinnern/das Fehlen von Bildern entsprechen dem Schocktrauma. Die Symptomatik eines Entwicklungstrauma ist ein wenig “feiner”. Das bedeutet, der Reiz, der ein traumatisches Erlebnis auslösen kann, ist ebenfalls “feiner”, als lange in der Forschung angenommen. Aber nochmal von vorn:
Schocktrauma – zu schnell und zu viel
Ein einmaliges oder wiederkehrendes, lebensbedrohliches Erlebnis wie:
- Krieg (kollektives Trauma)
- Naturkatastrophen (kollektives Trauma)
- Unfälle
- Vergewaltigung
- Folter
- Gewalt erfahren oder beobachten
Auch eine Operation kann traumatisch sein, auch wenn du den Schmerz nicht bewusst empfunden hast. Genauso kann deine Geburt oder eine schwere Geburt traumatisch sein.
Entwicklungstrauma – zu schnell, zu viel, zu lange
Ein Entwicklungstrauma entsteht, wenn ein junger Organismus über längere Zeit überfordert ist. Dabei kritisch ist, wie beim Schocktrauma auch, ein zu schnell und zu viel – zusätzlich ein zu lange. Diese Erfahrungen müssen nicht wirklich lebensbedrohlich sein und dennoch sind sie zu viel. Das Bedeutet, unser System ist fragiler, als angenommen.
Fehlende Fürsorge und Bindung, die eigene Geburt, ein Gefühl der Ohnmacht oder traumatisierte Eltern mit mangelnder Kontaktfähigkeit können ein traumatisches Verarbeitungsschema entstehen lassen. (Nicole Witthoefft (2019))
Selbstregulation und Entwicklungstrauma
Säuglinge und Kleinkinder können sich noch nicht selbst regulieren und sind darauf angewiesen, dass ihre primäre Bezugsperson sie co-reguliert.
Was bedeutet Selbstregulation?
Entspannt, aktiv, passiv, angestrengt, achtsam, neugierig – jeden Tag wechseln wir so schnell zwischen diesen verschiedenen Zuständen, dass es uns kaum auffällt. Wenn uns gut regulieren können, erscheint es uns natürlich, dass wir am Morgen aufstehen und am Abend einschlafen, dass wir essen, wenn wir Hunger haben und aufhören, wenn wir satt sind.
Dein System reguliert sich selbst, wenn du
- dich gut erholen und entspannen kannst
- deine Aufmerksamkeit längere Zeit fokussiert halten kannst.
- deine Impulse kontrollieren kannst.
- deine Ziele verwirklichen kannst.
- dich selbst beruhigen kannst, wenn du traurig o.ä. bist.
Was auch immer uns widerfährt und zu schnell, zu heftig und/oder zu lange auf uns eingewirkt, kann sich in Körper und Geist manifestieren. Empfundene Sicherheit ist so kostbar für unser System, wie die Nahrung, die es am Leben hält. Was diese Sicherheit gefährdet – dabei ist egal, ob es sich um eine tatsächliche Gefahr handelt, oder nicht – gefährdet unser System und es reagiert darauf mit Kampf, Flucht, Immobiliät oder Erstarren. Unser Nervensystem bleibt in der Vergangenheit stecken und wir können uns nicht mehr gut alleine regulieren. Oft bedarf es dann einer Co-Regulation wie eines anderen, starken, Nervensystems, Essen, Alkohol, Trinken, Einkaufen, Serien gucken sind ebenfalls beliebte Co-Regulatoren.
Einige Begriffe, die oft mit Trauma in Verbindung stehen:
- Wiedererinnern von psychotraumatischen Ereignissen
- Keine Erinnerung (keine „Bilder“)
- emotionale Taubheit
- Übererregung (wie zum Beispiel Schreckhaftigkeit oder Schlafstörungen)
- Zwangsstörungen
- Angststörung
- Depressionen
- Phobien
- chronische Erschöpfung
- Konzentrationsschwierigkeiten
- ein Gefühl der Isolation und ein Problem, langanhaltende Bindungen einzugehen oder die Gefahr, sich in Bindungen zu verlieren.
- wenig Selbstsicherheit/Selbstwertgefühl
Symptomatik Schocktrauma (kein Anspruch auf Vollständigkeit)
- Wiedererinnern von psychotraumatischen Ereignissen
- Keine Erinnerung (keine „Bilder“)
- emotionale Taubheit
- Das Erlebte kann nicht mit Kontakt im Hier und Jetzt wiedergegeben werden: monotone Stimmlage, kein Zugang zu Emotionen oder emotionaler Zusammenbruch.
Symptomatik Entwicklungstrauma (kein Anspruch auf Vollständigkeit, die Symptome können ein Zeichen für ein Entwicklungstrauma sein, müssen aber nicht)
- Schreckhaftigkeit oder Schlafstörungen
- Probleme mit Entspannung
- Wutausbrüche,
- Zwangsstörungen
- Angststörung
- depressive Episoden, Depressionen
- Phobien
- Erschöpfung & Konzentrationsschwierigkeiten
- ein Gefühl der Isolation
- Probleme, langanhaltende Bindungen einzugehen oder die Gefahr, sich in Bindungen zu verlieren.
- sehr intellektuell und das Gefühl im Kopf “gefangen” zu sein
Wenn dieser Artikel dich berührt hat (vielleicht weißt du garnicht nicht wieso) oder du einen Ansprechpartner für Traumasensibles Yoga in Düsseldorf suchst, bin für dich da. Gerne empfehle ich dir auch einen Psycho- oder Körpertherapeuten, wenn ich das Gefühl habe, dass dein Anliegen bei mir nicht gut genug aufgehoben ist.
Dieser Artikel resultiert aus der Fortbildung „Yoga und Trauma“, geleitet durch Nicole Witthoeft. Wenn du als Yogalehrer deinen Unterricht traumasensibel gestalten willst, dann empfehle ich dir die Aus- oder Fortbildung bei ihr. Ich habe die Fortbildung über den Verein „Yoga für alle“ absolviert. Ein toller Verein!
Weitere Quellen: Dami Charf